Alternative Einsatzstoffe schonen das Klima und die natürlichen Ressourcen
Zement besteht zum Großteil aus dem Vorprodukt Klinker (gebrannter Kalkstein) bei dessen Herstellung hohe prozessbedingte Emissionen entstehen. Um diese Emissionen zu senken kann dieses Klinker – soweit technisch möglich – im Zement durch Ersatzstoffe ersetzt werden, beispielsweise durch Hüttensand aus der Stahlproduktion, Flugasche aus Kraftwerken, Kalkstein oder gebrannten Ölschiefer. So können sowohl brennstoffbedingte als auch prozessbedingte Kohlendioxid-Emissionen indirekt reduziert werden, während gleichzeitig der Einsatz von Sekundärrohstoffen aus anderen Wirtschaftszweigen natürliche Ressourcen schont.
Hoher Anteil an Ersatzbrennstoffen
Durch den Ersatz von Kohle durch Ersatzbrennstoffe werden idealerweise die Kohlendioxid-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger reduziert.
Im Jahr 2022 wurden in den Zementwerken in Baden-Württemberg bereits zu 57,4 Prozent Ersatzbrennstoffe zum Betrieb der Öfen eingesetzt. Dazu zählen unter anderem Gewerbe- und Siedlungsabfälle, Klärschlamm und Papierfaserstoffe.
Kohlendioxid-Abscheidung macht Hoffnung auf eine klimaneutrale Produktion
Baden-Württemberg hat sich mit dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz (KlimaG BW) vorgenommen, bis 2040 klimaneutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind in einzelnen Bereichen Techniken zur Kohlendioxid-Abscheidung und Speicherung beziehungsweise Nutzung in langlebigen Produkten notwendig (Carbon Capture and Utilization bzw. Storage – CCU/S). Daher hat die Landesregierung am 15. Oktober 2024 im Zuge eines intensiven Dialogprozesses mit Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Branchen (neben der Zement- und Kalkindustrie insbesondere auch die thermische Abfallbehandlung und Teile der chemischen Industrie) sowie weiteren Akteuren ein Positionspapier zu Carbon Management verabschiedet und öffentlich vorgestellt.
Vor allem die Zementindustrie stößt bei der weiteren Minderung der Kohlendioxid-Emissionen zunehmend an Grenzen, denn insbesondere die prozessbedingten Kohlendioxid-Emissionen sind mit konventionellen Maßnahmen, wie zum Beispiel dem Einsatz von grünem Strom oder Wasserstoff, nicht zu mindern. Neben Kohlendioxid-effizienten Rohstoffen für die Klinker-, Zement- und Betonherstellung spielt vor allem die Abscheidung von Kohlendioxid im Zementwerk eine entscheidende Rolle um deren Emissionen weiter zu senken. Dies wird im Positionspapier des Landes anerkannt.
Carbon Capture and Utilization bzw. Storage ist jedoch kein Allheilmittel für den Klimaschutz. Bisher wird eine Anlage zur Kohlendioxid-Abscheidung in Baden-Württemberg nur an einem Zementwerk zu Testzwecken betrieben. Auch gibt es für das Vorgehen, wie mit dem abgeschiedenen Kohlendioxid weiter verfahren wird, noch keine abschließende Lösung. Sowohl bei der Speicherung als auch bei der weiteren Nutzung gibt es offene Fragen, wie zum Beispiel über den Transport oder die Eignung von Offshore-Speicherstätten in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone. Hierfür müssen politische Rahmenbedingungen und rechtliche Grundlagen festgelegt werden. Auch die Bundesregierung hat dies erkannt und am 29. Mai 2024 ein Eckpunktepapier für eine Carbon-Management-Strategie vorgestellt, um die Anwendung von Carbon Capture, den Transport, die Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid zu ermöglichen.
Darüber hinaus hat das Bundeskabinett ebenso am 29. Mai 2024 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) beschlossen.
Für den Hochlauf von Carbon Capture and Utilization ist der Aufbau einer Kohlenstoffdioxid-Infrastruktur von entscheidender Bedeutung. Daher hat der Anschluss von Baden-Württemberg an eine europaweite Kohlenstoffdioxid-Pipeline-Infrastruktur eine sehr hohe Priorität. Um den Transport von Kohlenstoffdioxid an Speicher- oder Nutzungsstandorte so schnell wie möglich zu gewährleisten, darf der Aufbau der Pipeline-Infrastruktur nicht zeitlich gestaffelt von Nord nach Süd erfolgen, sondern muss parallel an verschiedenen Punkten ansetzen. Es muss darauf geachtet werden, dass eine Benachteiligung der Industriestandorte in den südlichen Bundesländern gegenüber den nördlicheren Bundesländern vermieden wird.
Verlagerung der Emissionen ins Ausland soll vermieden werden
Die Kohlendioxid-Emissionen, die bei der Produktion von Zement entstehen, unterliegen dem Europäischen Emissionshandelssystem. Betriebe, die unter diesen Emissionshandel fallen, wie zum Beispiel die Zementwerke, müssen für jede ausgestoßene Tonne Treibhausgase einen Preis bezahlen. Dies soll den Betrieben einen finanziellen Anreiz bieten, Emissionen zu senken und in Maßnahmen zur Emissionsminderung zu investieren.
Der Europäische Emissionshandel wurde Ende 2023 reformiert. Eine Maßnahme dieses Reformpakets stellt das Kohlendioxid-Grenzausgleichssystem (Carbon Boarder Adjustment Mechanism – CBAM) dar. Mit Einführung des Grenzausgleichssystem ab 2026 müssen Importeure bestimmter Waren (unter anderem Zement) sogenannte CBAM-Zertifikate erwerben, die den Emissionen bei der Herstellung der importierten Waren entsprechen, falls die Waren von Ländern außerhalb der Mitgliedsstaaten des Europäischen Emissionshandels importiert werden. Mit diesem Mechanismus soll das Risiko vermieden werden, dass Kohlendioxid-Emissionen von emissionsstarken Industrien in Länder außerhalb der Europäischen Union entstehen und somit kein Anreiz der Minderung besteht.
Zusatzinformationen: CCU/S in anderen Branchen
Carbon Capture and Utilization beziehungsweise Storage (CCU/S) ist nach Einschätzung des Umweltbundesamtes (UBA) eine hilfreiche Technologie, um die Treibhausgasemissionen von bestimmten Industrieanlagen und in der thermischen Abfallbehandlung zu mindern. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Einsatz bei großtechnischen Anlagen mit hohen Emissionsfrachten sinnvoll und sollte nur dort zum Einsatz kommen, wo Treibhausgasemissionen nicht durch Vermeidung oder Substitution gesenkt werden können.
Die Abscheide-Technik ist also nur für bestimmte, einzelne Zweige der Energiewirtschaft (zum Beispiel thermische Abfallbehandlung und ggf. Bioenergie) und der produzierenden Industrie in Baden-Württemberg vorgesehen. In den meisten Bereichen muss das Augenmerk weiter ausschließlich auf der Steigerung der Energieeffizienz oder dem Einsatz von regenerativen Brennstoffen liegen. Dies wird auch im Positionspapier der Landesregierung zu Carbon Management betont.
Das Carbon Capture and Utilization- beziehungsweise Storage-Verfahren ist vor allem dort geeignet, wo die Nutzung von erneuerbaren Energien oder alternativen Prozessen nicht möglich ist. Bei der Herstellung von Zement und Kalk sowie bei der thermischen Abfallverwertung kann ein Großteil der Kohlendioxid-Emissionen nicht durch die zuvor genannten Maßnahmen reduziert werden, weshalb der Einsatz von Carbon Capture im Sinne einer bilanziellen Netto-Treibhausgasneutralität hier unausweichlich ist.
Vermeidung vor Abscheidung
Vor allem in der Kalk- und Zementindustrie ist die Abscheide-Technik notwendig, um unvermeidbare (Prozess-)Emissionen zu reduzieren. Bei der Glasproduktion und anderen Industriezweigen mit geringeren Emissionsfrachten sollten – aufgrund der Wirtschaftlichkeit – die energetischen Emissionen durch andere Maßnahmen reduziert werden. An ausreichend großen Biomassekraftwerken kann ebenfalls Carbon Capture zum Einsatz kommen, um dadurch Negativemissionen generieren zu können. Allgemein sollte der Einsatz von Carbon Capture so gering wie möglich gehalten werden (Grundsatz „Kohlendioxid-Vermeidung vor -Abscheidung“). Die Kohlendioxid-Abscheidung stellt keinen Ersatz für sonstige Treibhausgas-Vermeidungsmaßnahmen wie den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz oder den Einsatz emissionsarmer Rohstoffe dar.