Regenwürmer gehören in vielen Waldböden Mitteleuropas zu der Tiergruppe mit der höchsten Biomasse. Ihre mittlere Anzahl liegt bei rund 200 Individuen pro Quadratmeter und die mittlere Biomasse bei rund 60 Gramm pro Quadratmeter. Sie kommen in fast allen Böden des Landes vor und spielen eine wichtige Rolle für ein gut funktionierendes Ökosystem. Seit 2011 werden diese daher an sieben Waldstandorten der Medienübergreifenden Umweltbeobachtung näher untersucht. Seit 2015 erfolgt die Untersuchung im jährlichen Rhythmus. Die Regenwurmpopulationen an den Untersuchungsflächen der LUBW unterliegen großen Schwankungen (siehe Abbildung). Ursächlich hierfür sind insbesondere längere Dürrephasen in Kombination mit großer Hitze. Dass die Einflussfaktoren wie der Niederschlag von Standort zu Standort unterschiedlich sind, zeigt sich beispielsweise deutlich für die Untersuchungsfläche Stockach. Hier gab es entgegen des allgemeinen Trends nur einen moderaten Rückgang der Niederschläge im Jahr 2018. Verbunden mit dem dort tiefgründigen Boden war die Lage dort nicht so kritisch und es konnte für das Folgejahr 2019 sogar ein deutlicher Anstieg der Biomasse verzeichnet werden.
Welche Funktionen erfüllen Regenwürmer überhaupt?
Regenwürmer haben in heimischen Waldböden unterschiedlichste Funktionen. Beispielsweise sind sie für den Nährstoff- und Humuskreislauf wichtig, da sie organische Substanz abbauen. Zudem lockern sie die Böden auf und ermöglichen durch die Anlage tiefreichender Röhren das bessere Eindringen von Wasser in den Boden. Darüber hinaus spielen Regenwürmer aufgrund ihrer hohen Biomasse und ihres Eiweißgehaltes für eine Vielzahl von Tieren (zum Beispiel Vögel und Säugetiere) eine große Rolle als Nahrungsquelle. Ein Ausfall oder bereits ein weiterer Rückgang der Regenwürmer kann zu Störungen in naturnahen Ökosystemen führen und deutliche Auswirkungen auf Erträge in der Landwirtschaft haben.
Große Gefahr für Regenwurmpopulationen – der Klimawandel
An normale Schwankungen der Witterung sind einheimische Regenwurmarten angepasst. Problematisch sind aber Extremjahre und/oder regelmäßig trockenere Jahre.
Frost, vor allem aber Trockenheit, sind schädlich für Regenwürmer. Sie sind aufgrund ihres Körperbaus nicht in der Lage, bei Trockenheit einen konstanten Körperwassergehalt aufrecht zu halten. Ist es für einen kurzen Zeitraum zu trocken, können sich tiegfrabende (anezische) Arten in feuchtere Bodenschichten im Unterboden zurückziehen oder (endogäische Arten) in tieferen Bereichen in ein Ruhestadium gehen. Längere Trockenphasen, wie sie mit dem Klimawandel vermehrt vorkommen (extreme Dürren zum Beispiel in 2015, 2018 oder 2022), stellen allerdings eine große Gefahr für die Regenwürmer dar. Da epigäische und anezische Arten ihre Nahrung vorwiegend an der schneller austrocknenden Bodenoberfläche aufnehmen, reagieren sie prinzipiell auf Trockenheit empfindlicher als endogäische Arten. Weitere Informationen zu den Lebensweisen können Sie hier im Bericht nachlesen.
Ist die Klimaerwärmung mit warmen Wintern nicht auch positiv für Regenwürmer?
Der Klimawandel wirkt sich unterschiedlich auf Regenwürmer aus. Mildere Winter sind zwar förderlich für Regenwürmer, da sie längere Zeit aktiv sein können und die Verluste durch Frost geringer sind, aber die wärmeren und meist auch trockeneren Sommer werden hingegen zu einem immer größeren Problem. Besonders ungünstig sind extreme Sommer, wie zum Beispiel 2018. An trockeneren Standorten erholt sich davon die Regenwurmpopulation erst nach Jahren. Katastrophal könnten sich zwei extrem trockene Jahre in Folge auf die Regenwurmpopulation auswirken. Zwar überstehen die Regenwurm-Eier in ihren geschützten Kokons das erste Trockenjahr zunächst besser als bereits adulte Tiere, da aber Regenwürmer meist eine Entwicklungszeit von einem Jahr haben, vertrocknen die im Herbst nach der Wiederbefeuchtung geschlüpften Tiere noch vor der Eiablage. Für viele Standorte könnte das zu einem weitgehenden Ausfall der Population führen.
Eine Wiederbesiedelung solcher Standorte nach einem Populationszusammenbruch ist denkbar, allerdings aufgrund der langsamen Ausbreitungsgeschwindigkeit der Regenwürmer von häufig weniger als 10 Metern pro Jahr unter den Bedingungen des rasant beschleunigten Klimawandels wenig realistisch.