Den gesetzlichen Rahmen für die Störfallvorsorge bildet die sogenannte Störfall-Verordnung. Die Störfall-Verordnung ist die deutsche Umsetzung der europäischen Seveso-Richtlinie, welche europaweit den Mindeststandard für die Sicherheit der betreffenden Betriebe festlegt.
Die Menge der vorhandenen gefährlichen Stoffe bestimmt die Anforderungen
In Abhängigkeit vom vorhandenen Stoffinventar kommt die Störfall-Verordnung in zwei abgestuften Klassen zur Anwendung: Industriebetriebe fallen in die sogenannte untere Klasse, wenn bestimmte Mengenschwellen erreicht oder überschritten sind. Beispielsweise sind dies für akut toxisch wirkende Stoffe 5000 Kilogramm oder für entzündbare Gase 10.000 Kilogramm. In die obere Klasse fallen diese Betriebe ab 20.000 Kilogramm akut toxischer Stoffe oder ab 50.000 Kilogramm bei entzündbaren Gasen.
Welche Pflichten müssen die Betreiber erfüllen?
In der unteren Klasse gelten die sogenannten Grundpflichten. Es sind Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern beziehungsweise deren Auswirkungen zu begrenzen. Neben betrieblichen Gefahren und Eingriffen Unbefugter müssen umgebungsbedingte Gefahren wie zum Beispiel Hochwasser oder Erdbeben berücksichtigt werden.
In der oberen Klasse müssen neben den Grundpflichten umfangreichere Pflichten zur Analyse und Dokumentation erfüllt werden. Es gibt dann Pflichten über das Erstellen eines Sicherheitsberichts, das Aufstellen von Alarm- und Gefahrenabwehrplänen sowie für die Information der Öffentlichkeit über Sicherheitsmaßnahmen.
Was machen diese Betriebe?
Die Tätigkeiten der Betriebe unter der Störfall-Verordnung sind ein Querschnitt der Wirtschaft in Baden-Württemberg. Besonders hervorzuheben sind folgende Branchen:
Branche | Anzahl |
Lagerei, Umschlag und Speditionen | 19 |
Groß- und Einzelhandel | 52 |
Gaserzeugung und –versorgung | 25 |
Elektrizitätsversorgung | 34 |
Betriebe der Metallverarbeitung und des Maschinenbaus | 44 |
Chemische Herstellung einschließlich Kunststoffe, Farbe, Lacke und Pharmazeutische Produkte | 67 |
Nahrungs- und Genussmittel | 8 |
Landwirtschaftliche Betriebe | 7 |
Oft dienen die gefährlichen Stoffe als Hilfsmittel in den jeweiligen technologischen Prozessen, das heißt sie werden zum Beispiel als Energieträger, Lösungsmittel oder in der Oberflächenbehandlung von metallischen oder Kunststoffoberflächen eingesetzt.
Wo befinden sich die Betriebe in Baden-Württemberg und was sind die Herausforderungen an die Vorsorge?
Baden-Württemberg ist in weiten Teilen ein dicht besiedeltes Land. Viele Betriebe liegen in den Ballungsräumen oder entlang von Flüssen. Dennoch müssen ausreichende Abstände zu schützenswerten Bereichen gewahrt werden. Der Bauleitplanung kommt hier eine besondere Bedeutung für die Vorsorge zu.
Bei Bauplanungen im Umfeld dieser Betriebe beziehungsweise bei ihrer Neuansiedlung haben die Baubehörden zu prüfen, ob und wie die unterschiedlichen Nutzungen der Flächen zueinander passen, um Konfliktsituationen zu vermeiden. Deshalb ist vorgesehen, dass Betriebe mit gefährlichen Stoffen durch angemessene Sicherheitsabstände von schützenswerten Objekten wie Wohngebieten, Schulen, Kindergärten, Altersheimen, Krankenhäusern getrennt werden. In historisch entwickelten Bebauungen ist es schwierig, diese Abstände nachträglich herzustellen, aber für zukünftige Entwicklungen können Verbesserungen angestrebt werden.
Ein weiterer Aspekt der Vorsorge ist die Bereitstellung von Informationen für die Öffentlichkeit. Das heißt, die Menschen sind sowohl über die Tätigkeit des Unternehmens als auch über die Art der Gefahren zu informieren und darüber wie im Fall eines Unfalls gewarnt wird. Bei Betrieben der oberen Klasse sind zusätzliche Informationen über konkrete Maßnahmen im Ereignisfall darzulegen. Diese Informationen sind regelmäßig an die im Umfeld des Betriebs potentiell betroffenen Arbeitsstätten, Einrichtungen und Bewohner zu verteilen.
Was tut der Staat, um diese Betriebe zu überprüfen?
Für die Sicherheit der Betriebe mit gefährlichen Stoffen, die unter die Störfall-Verordnung fallen, sind die Betreiber verantwortlich. Diese müssen die Anlagen nach dem Stand der Sicherheit errichten und betreiben. Sie müssen die Anlagen regelmäßig überprüfen und instand halten. Für die Organisation und Gewährleistung der Sicherheitsaufgaben müssen die Betreiber Sicherheitsmanagementsysteme einrichten und funktionsfähig halten.
Die Regierungspräsidien in Baden-Württemberg sind die zuständigen Behörden. Sie überwachen und überprüfen, dass die Betreiber ihre Pflichten erfüllen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Industriereferate der Regierungspräsidien sowie der Landesbergdirektion führen regelmäßige Vor-Ort-Besichtigungen (Inspektionen) durch, bei denen die technischen, organisatorischen und managementspezifischen Aspekte des Betriebs überprüft werden.
Das Land Baden-Württemberg hat auf der Internetseite des Umweltministeriums einen Überwachungsplan für die Betriebe mit gefährlichen Stoffen, die unter die Störfall-Verordnung fallen, veröffentlicht.
Neben dem Überwachungsplan sind jahresaktuelle Listen der zu überwachenden Betriebe veröffentlicht.
Was muss ich tun, wenn etwas passiert – Wie werde ich informiert?
Die Betriebe müssen Informationen an potentiell betroffene Bewohner, Einrichtungen und Unternehmen in der Nachbarschaft verteilen. Diese Information hat regelmäßig zu erfolgen, mindestens alle fünf Jahre. In Städten und Gemeinden mit mehreren gefährlichen Betrieben der oberen Klasse gibt es häufig eine gemeinsame Veröffentlichung, die manchmal auch in Zusammenarbeit mit der Stadt erarbeitet wird.
Zudem ist der Betreiber verpflichtet, Informationen über seinen Betrieb dauerhaft zugänglich zu veröffentlichen. Das bedeutet, dass diese Informationen im Internet verfügbar sein müssen. Dort wird ausgeführt, wie im Ereignisfall gewarnt wird.
Sollte im Ereignisfall eine öffentliche Warnung der Bevölkerung erforderlich sein, werden neben Sirenen auch Melde-Apps und automatische Alarmierungen verwendet, die unter anderem Warnungen über Smartphones erteilen können.
Um die Öffentlichkeit und die Umwelt vor den Auswirkungen schwerer Unfälle zu schützen, sind die unteren Katastrophenschutzbehörden der Stadt- und Landkreise verpflichtet, externe Notfallpläne für die Betriebe der oberen Klasse aufzustellen und regelmäßig zu üben. Bei der Aufstellung solcher Notfallpläne ist auch die Öffentlichkeit zu beteiligen. So kann sie zum einen erkennen, dass die staatlichen Aufgaben wahrgenommen werden, zum anderen bietet dies eine Möglichkeit, dass sie eigene Kenntnisse in die Planung mit einbringen kann.