Die geringen Konzentrationen von manchen Stoffen sind schwer zu messen
Viele chemische Stoffe kommen nur in sehr geringen Konzentrationen in Gewässern vor. Trotz der geringen Mengen können manche Stoffe problematisch sein, insbesondere wenn sie für aquatische Lebewesen toxisch sind. Pflanzenschutzmittel sollen auf landwirtschaftlichen Flächen unerwünschte Pflanzen, Insekten oder Pilzbefall wirksam bekämpfen. Die Stoffe beeinflussen Organismen aber auch an nicht erwünschten Orten, zum Beispiel in Flüssen.
Daher werden bestimmte Stoffe in Gewässern überwacht. Für die Analysen nehmen Mitarbeiter regelmäßig Wasserproben aus den Flüssen. Das Wasser wird im Labor mit leistungsfähigen analytischen Verfahren, zum Beispiel mit einem Massenspektrometer, analysiert. Dieses Analyseverfahren ist so empfindlich, dass ein Stück Würfelzucker in einem olympischen Schwimmbecken nachgewiesen werden kann.
Über 100 Schadstoffe werden in Deutschland flächendeckend in Flüssen und Seen gemessen, um den Zustand der Gewässer zu prüfen. In Baden-Württemberg führt diese Überwachung die LUBW an etwa 180 Stellen in Flüssen durch. Auch in Seen werden Daten erhoben.
Für die Schadstoffe wurden Konzentrationen bestimmt, die im Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden sollten. Die Umweltqualitätsnorm findet sich in der Oberflächengewässerverordnung.
Schadstoffe aus der Landwirtschaft – Imidacloprid und Nicosulfuron
Schadstoffe aus der Landwirtschaft sind vor allem Pflanzenschutzmittel: Herbizide gegen Unkräuter, Insektizide gegen Fraßfeinde und Fungizide gegen Pilzbefall. Der Eintrag in Gewässer findet besonders nach stärkeren Niederschlägen kurz nach dem Ausbringen auf dem Feld statt. Die Stoffe mit den meisten zu hohen Werten in den letzten Jahren waren Imidacloprid und Nicosulfuron.
Imidacloprid ist ein weltweit eingesetztes Insektizid aus der Gruppe der Neonicotinoide. Die Umweltqualitätsnorm liegt mit 0,002 Mikrogramm pro Liter sehr niedrig. Der Stoff wurde aufgrund von Bienensterben 2018 EU-weit für das Freiland verboten, seit 2022 gibt es auch keine Ausnahmeregelungen mehr. Dies spiegelt sich in den Messungen wider: In den drei Jahren 2016 bis 2018 gab es im Mittel noch an 20 Messstellen Überschreitungen. 2022 nur noch eine einzige. Es ist anzunehmen, dass diese positive Entwicklung durch das Verbot bestehen bleibt.
Nicosulfuron ist ein häufig eingesetztes Herbizid gegen Unkräuter im Maisanbau. Durch Verbote anderer Herbizide mit schädlichen Auswirkungen wird Nicosulfuron zunehmend eingesetzt. Die Umweltqualitätsnorm liegt bei 0,008 Mikrogramm pro Liter Der Wert wurde in den vergangenen Jahren im Mittel an drei Stellen jährlich überschritten.
Schadstoffe aus der Verbrennung: Fluoranthen
Fluoranthen gehört zu den polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und entsteht zum Beispiel bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material. Der Eintrag findet durch Ablagerung von Partikeln aus der Luft statt.
Die Umweltqualitätsnorm, also die Konzentration, die im Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden soll, liegt bei 0,0063 Mikrogramm pro Liter. Die meisten Überschreitungen wurden 2016 registriert. Die 2016 verschärfte Umweltqualitätsnorm wird erst 2027 relevant für die Bewertung der Flüsse.
Messstellen mit hohen Konzentrationen sind vor allem an Neckar und Rhein sowie in der Nähe von Großstädten. Die hohe Bevölkerungsdichte und hohe industrielle Aktivität sorgt auch für eine Belastung durch den Straßenverkehr.
Über die in der Oberflächengewässerverordnung definierten Stoffe hinaus findet sich eine aktuelle Zusammenstellung weiterer Stoffe, die in Oberflächengewässern in Baden-Württemberg gemessen wurden und für die noch keine Umweltqualitätsnormen festgelegt wurden, im Spurenstoffbericht.
Spurenstoffe aus dem Abwasser
Spurenstoffe aus dem Abwasser sind in erster Linie Rückstände von Arzneimitteln oder Kosmetika, die über Kläranlagen in die Gewässer eingetragen werden. Beispielsweise kann in vielen Wasserproben aus Fließgewässern das Schmerzmittel Diclofenac nachgewiesen werden. Arzneimittel sollen chemisch stabil sein, damit der Wirkstoff nicht vor Erreichen der richtigen Stelle im Körper zerfällt, sondern eine hohe biologische Wirkung erzielt. Diese Langlebigkeit der Arzneimittel wird in der Umwelt jedoch zum Problem, die Stoffe können sich in der Umwelt anreichern und aquatische Organismen schädigen.
Spurenstoffe, die Flüsse über Kläranlagen erreichen, weisen im Gegensatz zu den Stoffen aus der Landwirtschaft eher konstante Konzentrationen auf. Aus dem zeitlichen Verlauf der Konzentrationen kann die Herkunft von Stoffen abgeschätzt werden. Genaueres zu den Stoffen und neuen Reinigungsverfahren finden Sie im Artikel zu Kläranlagen in diesem Bericht.
Es gibt laufend neue Erkenntnisse zu den Stoffen
Immer wieder kommen neue Stoffe in die Liste der zu überwachenden Stoffe hinzu. Zuletzt im Jahr 2016 beispielsweise PFOS und Dioxine. Ein Grund dafür sind (öko-)toxikologische Erkenntnisse und eine genauere analytische Bestimmbarkeit. Daher ist unser Bild der Schadstoffbelastung in Flüssen heute sehr viel detailreicher als noch vor wenigen Jahren. Problematische Stoffe, die immer wieder zu hohe Werte aufweisen, gelangen aus unterschiedlichen Quellen in die Flüsse. Bei der Verbrennung entstehen schädliche Stoffe, aus Kläranlagen gelangen Arzneimittelrückstände in Gewässer und von landwirtschaftlichen Flächen werden Pestizide in Flüsse gespült.
Fazit: Wie erfolgreich ist der Gewässerschutz im Bereich der Stoffeinträge?
Für viele Schadstoffe konnten die Konzentrationen in den letzten Jahren deutlich verringert werden. Doch immer wieder geraten neue Stoffe in den Fokus. Neue, strengere Umweltqualitätsnormen sorgen weiterhin für viele Überschreitungen, obwohl sich die Situation bezüglich vieler der bisher relevanten Stoffe verbessert hat. Somit besteht – trotz der Verbesserungen – weiter eine Anforderung, Schadstoffeinträge zu reduzieren. Durch umfangreiche und sensitive Messungen ist der Zustand der Gewässer heute genauer bekannt denn je, besonders der Rhein wird detailliert überwacht - zum Beispiel, um bei Schadensfällen schnell zu reagieren.